Da steht nicht nur Dystopie drauf, da ist auch Dystopie drin
Mir geht es hier nicht um fachgerechte Rezensionen. Es ist
ein Blog, der für alle die Freunde und Bekannten gedacht ist, die sonst stets
und ständig meine Regale plündern und immer wieder nachfragen, was man denn mal
lesen könnte. Deswegen werden in diesem Beitrag gleich sämtliche Bände der
Trilogie „Das verbotene Eden“ beschrieben. Denn die sind Kopfkino vom Feinsten.
Und um diesen Vergleich noch ein wenig zu strapazieren: Wer mich kennt und je
mit mir im Kino war, weiß, dass ich der schlimmste Albtraum bin. Teert mich,
federt mich und steinigt mich – ich liebe Popcorn, am besten eimerweise.
Natürlich nur bei lauten Filmen, ich bin ja kein Unmensch. Aber manchen
Menschen ist schon das zu viel. Wie auch immer: Band 1 „David und Juna“ ist
feinstes Popcornkino. Gut gemacht, unterhaltsam, ein wenig zu perfekt. „Kann
man, muss man aber nicht“, dachte ich zunächst. Band 2 „Logan und Gwen“ ist
dagegen wie einer dieser Filme, bei dem man gutes Popcornkino erwartet, aber
dann so mitgerissen wird, dass man das Essen vergisst und den halben Eimer der
süßen Klebrigkeit hinterher in den Müll schmeißt. Wie einer dieser Filme, nach
denen man das Kino verlässt und sich fragt, was das jetzt war und wie sie das
wohl gemacht haben, dass man so die Zeit vergessen konnte. Bei dem es keine
Längen gab und man ständig mit angehaltenem Atem verfolgt, was auf der Leinwand
passiert. Ihr denkt, das ist nicht zu toppen? Für mich schon. Da gibt es noch
eine Steigerung im Kino – und in der Trilogie auch. Band 3 „Magda und Ben“ ist
wie einer der Filme, bei denen man nach wenigen Minuten die Popcorntüte unter
dem Sitz vergräbt, es noch kurze Zeit länger aushält und dann seinen Nachbarn
anmotzt, er solle bitte das Geraschel und Geschmatze sein lassen. Und bevor es
zum echten Krieg kommt, verbrüdert man sich, denn man hält es vor Spannung kaum
aus und braucht eine Hand, die man drücken kann oder auch einen Schoß, auf den
man hüpfen darf, wenn es richtig gruselig wird.
Band 1: David und Juna
Eine Dystopie, die diese Bezeichnung verdient hat. Die
Handlung des Romans beginnt 65 Jahre nach dem Zusammenbruch. Die Zivilisation,
so wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Schuld ist ein manipulierter
Impfstoff, der den Hass auf das andere Geschlecht schürt und dazu führt, dass
Männer und Frauen verfeindet sind und Kriege gegeneinander führen. Sie leben in
getrennten Lagern – die Frauen auf dem Land, die Männer bewohnen weiterhin die
Städte. Zu Beginn der Handlung hat lediglich ein Zehntel der Erdbevölkerung
überlebt, es gibt keinen Strom mehr und damit auch kaum noch technische
Hilfsmittel, die das Leben erleichtern. Die Menschheit hat sich
zurückentwickelt und wurde ins tiefste Mittelalter katapultiert.
Was mich zunächst entfernt an Robert Merles „Die geschützten
Männer“ erinnerte, entwickelt sich zu einer besonderen Liebesgeschichte. Juna –
17 Jahre alt und Tochter der Hohepriesterin und David – ein Mönch, dessen
Leidenschaft den Büchern gilt. Besonders hat es ihm die Geschichte von Romeo
und Julia angetan, die Geschichte der größten Liebe aller Zeiten. Wo David
bereits beginnt zu zweifeln, ob der Hass gegenüber den Frauen, den seine Kirche
lehrt, wirklich gottgewollt sein kann, ist Juna noch gefangen in den Ansichten
ihrer eigenen Kirche und findet kaum etwas abstoßender als Männer. Und
natürlich wären sich David und Juna nie begegnet, wenn … Ja, wenn David nicht
in Gefangenschaft der Frauen geriete und Junas Weltbild zum Bröckeln brächte.
Vorweg: Auch wenn die Rahmenhandlung konstruiert anmutet, so
ist sie doch absolut glaubwürdig erzählt. Thiemeyer betreibt das „was wäre wenn
Spiel“ mit Bravur. Er schafft eine postapokalyptische Welt, reichert sie mit
Phantastik an und lässt mit jedem Satz, mit jedem Wort die Bilder im Kopf des
Lesers wachsen.
Doch es sind genau die Bücher die fiesesten, die man
zuschlägt und nicht weiß, was man davon halten soll. Ähnlich ging es mir bei
diesem. Die Idee: einfach nur brillant. Der Stil: absolut in Ordnung. Der Roman
ist handwerklich gut gemacht. Unglaublich viel Mühe hat sich der Autor mit dem
Setting gegeben. Spannend erzählt er seine Geschichte. Nimmt Tempo an Stellen
auf, die danach verlangen und drosselt die Geschwindigkeit, wenn notwendig. Der
Plot sitzt, die Story und die Idee faszinieren. Und doch: Die Figuren sind für
mich leider flach und beliebig geblieben. Richtig warm bin ich weder mit David
noch mit Juna geworden. Das ist schade, denn sie hätten es verdient – die Geschichte
hätte es verdient. Jedoch überkam mich beim Lesen immer wieder das Gefühl, dass
da noch eine ganze Menge gegangen wäre, dass da unglaublich viel Potenzial
verschenkt wurde. Dass da versucht wurde, alles richtig zu machen, mit dem
Ergebnis, dass die beiden Protagonisten auf mich seltsam ausgebremst wirkten.
Band 2: Logan und Gwen
Der Krieg der Geschlechter geht weiter und fokussiert
diesmal auf die Geschichte von Logan und Gwen. Gwen, die Heilerin und frühere
Partnerin von Juna schließt sich den Kriegerinnen ihres Volkes an. Sie planen
den Tod des Inquisitors und wollen damit den Krieg beenden. Logan ist ein
typischer underdog. Aufgewachsen als Pflegesohn eines Schmiedes in einem
Außenbezirk der Stadt, erringt er als Kämpfer einen Sieg in der Arena und ist
fortan geachteter Champion seines Clans. Durch einen Zufall begegnen sich die
beiden. Und nun beginnt eine wahrhaft große Geschichte, denn der Autor nimmt
sich seiner Figuren an und lässt sie sich entwickeln. Absolut glaubwürdig und
nachvollziehbar wie ich finde. Gwen liebte ich von Anfang an. Erst zickig und
frustriert über Junas Flucht. Unsicher und niedergeschlagen über ihr Versagen
als Heilerin, dann mutig und selbstbewusst. Klug und stark. Logan wiederum muss
man einfach mögen. Er ist einer, der es faustdick hinter den Ohren hat, der nie
das tut, was man von ihm vermutet. Der sich aufopfernd um seinen Bruder kümmert
und der schlussendlich für Gwen und seine Liebe zu ihr kämpft. Und obwohl sich dieser
zweite Band noch actionreicher als sein Vorgänger zeigt, wurde viel Liebe auf
die Schilderung der Protagonisten verwandt. Keine Frage, dass nach diesem
spannenden Roman auch der Abschlussband gelesen werden MUSSTE.
Band 3: Magda und Ben
Ich möchte es vorausschicken. Mit diesem dritten Band hat
eine der besten Dystopien ihren Abschluss gefunden, die ich jemals gelesen
habe. Die Handlung ist wundervoll durchdacht, intelligent konstruiert und eine
perfekte Mischung aus Spannung, Romantik, Abenteuer und liebenswerten
Protagonisten.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern beginnt dieser Roman kurz
vor der Katastrophe. Magda und Ben sind ein Paar. Sie leben zusammen, genießen
ihre Freizeit und führen ein unbeschwertes Leben. Nach dem Ausbruch eine
Grippeepidemie sind sie gezwungen, sich dagegen impfen zu lassen – das Unheil
nimmt seinen Lauf, der Wahnsinn eskaliert. Genauso, wie wir es aus den
Andeutungen der ersten Bände erwarten. Und doch ganz anders. Doch viel
schlimmer und grausamer und beklemmender. Geschickt führt uns Thiemeyer an den
Anfang der Geschichte zurück, hält seine Versprechen und führt sämtliche
Handlungsfäden zusammen, wenn er uns von Magda und Ben berichtet. Von ihrer
Jugendliebe, von ihren getrennten Leben und Schicksalen. Sie – die oberste
Heilerin der Frauen. Er – der Mann der Kirche. Entzweit durch eine Katastrophe,
welche die gesamte Menschheit betrifft und durch die Schilderung von
Einzelschicksalen wirklich nachdenklich stimmt. Thiemeyer beweist sich
spätestens bei diesem Band als begnadeter Geschichtenerzähler. Als jemand, der
die Normalität des Grauens zeichnen kann, die alltägliche Brutalität, die
Feindschaft, die Macht der Information. Der dritte Band ist an Spannung kaum zu
übertreffen. An intelligenter Spannung einerseits, so wohldurchdacht ist das
Ausmaß der Katastrophe. Von Menschen verursacht, von Menschen erlitten. Alle
sind Opfer, es gibt keine Gewinner. Immer wieder überrascht der Autor mit
dramatischen Szenen, die mich keuchend an den Nägeln knabbern ließen. Und ja –
auch diese Art von Spannung, die man bei deutschen Autoren im Jugendbuchbereich
oft vermisst. Da stechen die Protagonisten zu, wenn sie ein Messer haben. Da
wird getötet, gekämpft und verletzt und auch gestorben. Da wird das Fürchten
gelehrt, da wird es brutal und gruselig und eklig. Da werden nicht die Augen
zugemacht, da wird nicht ausgeblendet, sondern hingeschaut. Da werden alle
Register gezogen. So muss das sein.
Fazit: Ganz klare Leseempfehlung. Ich liebe spannende
Bücher, ich liebe Jugendbücher. Aber vor allem liebe ich intelligente
Unterhaltung. Und die habe ich hier bekommen. Es war ein Genuss!
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