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Dienstag, 8. Oktober 2013

Alina Bronsky – Nenn mich einfach Superheld

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für mich war es nicht das Richtige




Nachdem ihn ein Rottweiler angefallen hat, ist Mareks Gesicht zerstört. Der Junge zieht sich mehr und mehr in sich zurück, bis ihn seine Mutter in eine Selbsthilfegruppe behinderter Jugendlicher schickt. Genau wie Marek ist ein Großteil der Teilnehmer eher unfreiwillig dort. In dieser Truppe von Krüppeln trifft Marek sehr skurrile Gestalten. Eine Tunte, einen fetten Jungen, dessen Organe sich langsam auflösen, einen smarten Blinden und die im Rollstuhl sitzende Janne.

Der Titel verspricht viel, die Idee ist reizvoll. Der Schreibstil der Autorin nahm mich sofort gefangen. Liebevoll beginnt sie, ihre Figuren zu zeichnen, wobei Marek als Protagonist und schwieriger Charakter konsequent im Vordergrund steht und zunächst absolut glaubwürdig agiert. Marek möchte mit dem Leben nichts mehr zu tun haben, mit diesen Krüppeln noch viel weniger. Doch dann erweist sich genau diese Gruppe als Mareks große Chance.
Bis zu einem bestimmten Punkt habe ich das Buch geliebt. Ich habe die Figuren geliebt und den nicht selten bitterbösen Humor der Autorin. Ich habe mit Marek mitgefühlt, habe mit ihm gelitten und gelacht. Doch was dann passierte, kann ich nicht sagen. Auf einmal treten die Jugendlichen, die Bronsky mit so viel Liebe und Tiefsinn einführt, in den Hintergrund. Nur Marek bleibt uns und ein Todesfall in seiner Familie, der nun plötzlich die gesamte weitere Handlung bestimmt. Auf einmal ist nichts mehr glaubwürdig, auf einmal scheinen alle völlig zerrissen zu sein. Der Protagonist genauso wie ich als Leser. Marek ist irritiert – gerade hat er sich auf die Gruppe eingelassen, schon reißt ihn das Schicksal wieder heraus. Und auch ich als Leser hatte große Schwierigkeiten, diese Wendung zu akzeptieren. Fast schien es mir, als hätte die Autorin versucht, mehrere Ideen unbedingt in einer einzigen Geschichte unterzubringen. Als wäre Einiges bewusst passend gemacht worden. Marek, der mir anfangs so sehr ans Herz gewachsen war, entfernte sich immer weiter von mir.
Der Schluss des Buches ist sehr verwirrend. Ich habe mir einen tiefgründigen Roman versprochen. Unterhaltung auf hohem Niveau. Eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt. Das hat sie definitiv auch getan, allerdings bin ich nicht sicher, ob die Art des Nachdenkens von der Autorin so beabsichtigt war. Als ich die letzte Seite gelesen hatte, ging mir ununterbrochen die Frage durch den Kopf, was das denn nun bloß gewesen ist. Lauter lose Enden. Keine schlüssigen Erklärungen mehr. Viele Fragen, wenige Antworten.
Insgesamt kann ich für mich feststellen, dass ich es nicht mag, wenn mich der Autor allein lässt. Er verspricht, mir eine Geschichte zu erzählen. Für mich hat eine gute Story einen Anfang, ein Ende und allerlei Dinge, die zwischendurch passieren. Wenn der Autor mich zwischendurch mit einer Menge Andeutungen anfüttert, dann wäre es seine Pflicht, diese am Ende auch aufzuklären. Es ist gut, wenn genug Raum für die Phantasie des Lesers bleibt. Wenn Nachdenklichkeit jedoch dadurch erzeugt wird, dass wichtige Teile der Geschichte einfach nicht weitergeführt werden, wenn Figuren sich im Nebel auflösen, wenn Dinge einfach geschehen, ohne, dass erklärt wird, warum, dann hat für meine Auffassung der Autor sein Versprechen nicht gehalten.

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